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Soll nun auch Patentrecht bei der Substitutionsentscheidung nach § 129 SGB V eine Rolle spielen? | 16.11.2015

Es ist noch keine 5 Jahre her, dass im Zusammenhang mit der Substitutionspflicht bei Rabattarzneimitteln diskutiert wurde, ob alle für ein Arzneimittel zugelassenen Indikationen oder nur die konkret einschlägige Indikation im Einzelfall oder sogar nur eine einzige überschneidende Indikation notwendig wäre, um eine Austauschpflicht des Apothekers bei wirkstoff- und wirkstärkegleichen Arzneimitteln auszulösen.

Durch eine Änderung des Wortlauts des § 129 Abs.1 SGB V wurde dieser Streit seinerzeit beendet. Seit dem 01.01.2011 ist im Gesetz ausdrücklich geregelt, dass die Austauschpflicht zu Gunsten eines rabattbegünstigen Arzneimittels bereits besteht, sobald die Arzneimittel „für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen“ sind. Im Rahmen der amtlichen Begründung hatte der Gesetzgeber insoweit klargestellt, dass bereits eine Übereinstimmung nur eines Anwendungsbereichs eine Substituierbarkeit nach § 129 SGB V auslösen würde.

Aktuell entsteht nun eine vergleichbare Problematik im Zusammenhang mit indikationsbezogenen Patentrechten:

Die Firma Pfizer hat für ihr Antiepileptikum Lyrica mit dem Wirkstoff Pregabalin aktuell Patentschutz bezogen auf die Behandlung neuropathischer Schmerzen. Dieser Schutz hat noch bis Juli 2017 Bestand. Für alle anderen Indikationen besteht kein Patentschutz mehr, so dass es bereits zahlreiche wirkstoffgleiche Generika auf dem Markt gibt, die den Wirkstoff Pregabalin enthalten. Fraglich ist nun, inwieweit dieser Patentschutz im Rahmen der Substitution nach § 129 ABs.1 SGB V eine Rolle spielt.

Die Firma Pfizer versucht im Rahmen diverser Rechtstreitigkeiten durchzusetzen, dass diese Indikation nur für ihr Arzneimittel genutzt werden kann. Beispielsweise soll im Zusammenhang mit der Werbung für das Arzneimittel durchgesetzt werden, dass Generikahersteller stets darauf hinweisen müssen, dass zur Behandlung neuropathischer Schmerzen nur Lyrica selbst verwendet werden darf. Auch im Bereich der Vergabe von Rabattverträgen wurden mehrere Gerichte angerufen, um überprüfen zu lassen, ob die Vergabe von Rabattverträgen an Generikahersteller diesen Patentschutz verletzt.

Die Apotheker sind von diesen Streitigkeiten unmittelbar nicht betroffen. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Werbemaßnahmen für die betroffenen Arzneimittel finden zwischen den pharmazeutischen Unternehmen statt. Im Hinblick auf die Vergabe von Rabattverträgen sind die Apotheker bei Streitigkeiten ebenfalls außen vor.

Spannend wird es aus Sicht der Apotheker aber dann, wenn es um die konkrete Abgabe eines Arzneimittels aufgrund ärztlicher Verschreibung geht und die Frage der Substituierbarkeit geklärt werden muss. Selbst wenn der verordnende Arzt – den Patentschutz beachtend – zur Anwendung bei neuropathischen Schmerzen Lyrica selbst verordnet, ist die Substitutionsentscheidung auf den Apotheker verlagert, der die Indikation für den Einsatz des Arzneimittels im Einzelfall nicht kennt und daher überhaupt nicht entscheiden kann, ob Patentrechte eine Rolle spielen.

Die für den Apotheker einschlägige Rechtsnorm ist aber ihrem Wortlaut nach eindeutig: In § 129 Abs.1 SGB V ist klar formuliert, dass die Substitutionsverpflichtung bereits bei einer überschneidenden Indikation besteht:

Schon wenn zwei potentiell substituierbare Fertigarzneimittel neben diversen unterschiedlichen für nur ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen sind, ist der Apotheker verpflichtet, zu Gunsten des rabattbegünstigen Arzneimittels zu substituieren, wenn auch alle anderen Substitutionskriterien des § 129 SGB V erfüllt sind. Die Möglichkeit der Berücksichtigung von Patentrechten wird dem Apotheker insoweit nicht eröffnet.

Da dem Apotheker im Regelfall die Indikation, für die ein Arzneimittel vom Arzt verordnet wurde, nicht bekannt ist, kann aus Apothekersicht auch keine aktive Patentrechtsverletzung vorliegen, wenn die Substitution entsprechend der Vorgaben des § 129 SGB V durchgeführt wird.

Allenfalls dem Arzt wäre es möglich, auf „seiner“ Verordnung einen Hinweis auf den Patentschutz anzuführen, um dessen Beachtung zu ermöglichen. Ob die Rechtsprechung zukünftig zum Schutz der Originalhersteller und gleichzeitig zu Lasten der Krankenkasse eine solche Verpflichtung bei der Verordnung von Arzneimitteln vorsehen wird, bleibt abzuwarten. Allein aus finanziellen Gründen, die im Zusammenhang mit der Finanzierbarkeit des GKV-Systems beim BSG stets hochrangig bewertet werden, ist mit einer den Patentschutz berücksichtigenden Entscheidung aber weniger zu rechnen.

Als Apotheker sollten Sie einstweilen daher darauf achten, die Frage der Substitutionsfähigkeit anhand der Rabattvoraussetzungen des § 129 Abs.1 SGB zu entscheiden. Nur so kann man dem Retaxationsrisiko begegnen.

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IK