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Auswirkungen der „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ auf die Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Menschen | 22.04.2020

Die sog. „Corona-Pandemie“ führt in vielen Bereichen des täglichen Lebens zu besonderen Situationen. Der Gesetzgeber befürchtet auch im Gesundheitswesen eine außergewöhnliche Belastung. Um in dieser Ausnahmesituation die Handlungsfähigkeit der betroffenen Gesundheitsberufe sicherzustellen, hat der Gesetzgeber diverse Ausnahmeregelungen geplant, die u.a. auch die Versorgung opiatabhängiger Menschen im Rahmen der Substitutionsbehandlung sicherstellen soll.

Für die Substitutionsbehandlung sind folgende Ausnahmen in § 7 der SARS-Co-V-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorgesehen:

1. Anforderungen an den die Substitution durchführenden Arzt:

Der verschreibende Arzt muss grundsätzlich nach wie vor suchtmedizinisch qualifiziert im Sinne des § 5 Abs.3 BtMVV sein, um uneingeschränkt Substitutionsbehandlungen durchführen zu dürfen.

Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf nach den Regelungen in § 5 Abs.4 BtMVV nur ausnahmsweise Substitutionsbehandlungen durchführen, wenn sich sein Patient u.a. zu Beginn der Behandlung und mindestens einmal im Quartal einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt vorstellt. Unter dieser Voraussetzung und nach entsprechender Meldung dürfen von einem suchtmedizinisch nicht qualifizierten Arzt gleichzeitig höchstens zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandelt werden. Dabei darf jedoch keine Behandlung mit Diamorphin nach § 5a BtMVV durchführt werden.

Von dieser grundsätzlichen Regelung wird, um die Versorgung der opiatabhängigen Patienten sicherzustellen und Versorgungsengpässe aufzufangen, ausnahmeweise eine Erleichterung zugelassen:

Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf für die Zeitspanne, in der die neue SARS-Co-V-2-Arzneimittelversorgungsverordnung in Kraft ist, abweichend von § 5 Abs.4 BtMVV eine größere Zahl an Patienten als die dort festgelegten 10 behandeln.

2. Besonderheiten bei der Vertretung durch einen suchtmedizinisch nicht qualifizierten Arzt:

Soweit ein suchtmedizinisch qualifizierter Arzt vertreten werden muss, soll die Vertretung – nach § 5 Abs.5 BtMVV – auch durch einen suchtmedizinisch qualifizierten Arzt erfolgen. Soweit eine solche qualifizierte Vertretung nicht einzurichten ist, eröffnet § 5 Absatz 5 Satz 3 BtMVV die Möglichkeit, dass eine Vertretung auch durch einen nicht suchtmedizinisch qualifizierten Arzt erfolgen kann, dies jedoch maximal in einem zusammenhängenden Zeitraum von bis zu vier Wochen und höchstens insgesamt zwölf Wochen im Jahr.

Hiervon abweichend ist durch die neue SARS-Co-V-2-Arzneimittelversorgungsverordnung zur Sicherstellung der Versorgung vorgesehen, dass bei der Vertretung eines substituierenden Arztes ohne suchtmedizinische Qualifikation die dort festgelegte zeitliche Begrenzung überschritten werden kann.

3. Verordnungs-Vorgaben zum Sichtbezug:

§ 5 Abs.8 BtMVV sieht grundsätzlich vor, dass die Verschreibung der benötigten Menge des Substitutionsmittel nur für bis zu 2 aufeinanderfolgende Tage möglich ist. Für die Wochenendtage Samstag und Sonntag und für dem Wochenende vorangehende oder folgende Feiertage, auch einschließlich eines dazwischen liegenden Werktages, darf höchstens jedoch in der für fünf Tage benötigten Menge verordnet werden.

Hiervon abweichend regelt die neue Verordnung für die Zeit der Corona-Pandemie, dass die Verordnung für bis zu sieben aufeinanderfolgende Tage möglich ist.

Während grundsätzlich auch nur eine Verordnung innerhalb einer Kalenderwoche möglich ist, eröffnet die neue Ausnahmeregelung zusätzlich die Option, abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 3 BtmVV innerhalb einer Kalenderwoche bis zu 4 Verschreibungen, jedoch nicht mehr als eine Verschreibung an einem Tag auszuhändigen.

Zudem wird auf die persönliche Konsultation für die Dauer der Ausnahmeregelung verzichtet.

4. Vorgaben für die Take-home-Versorgung:

Auch im Rahmen der Take-home-Versorgung wird nach der neuen Ausnahmeregelung der SARS-Co-V-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ausnahmsweise keine persönliche Konsulation vorausgesetzt, d.h. die Verordnung muss nicht persönlich ausgehändigt werden.

5. Anforderungen an das Personal beim Sichtbezug:

In § 5 Absatz 10 Satz 1 und 2 BtmVV ist im Detail geregelt, welche Anforderungen an das Personal zu stellen sind, das den Patienten die Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen darf.

Hiervon abweichend sieht die neue Verordnung aktuell vor, dass auch anderes Personal eingesetzt werden darf, soweit das in diesen Vorschriften zur Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch genannte medizinische, pharmazeutische, pflegerische Personal oder das in einer staatlich anerkannten Einrichtung der Suchtkrankenhilfe von dort eingesetzte und dafür ausgebildete Personal nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung steht.

In Fällen, in denen die Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch in der ambulanten Versorgung eines Substitutionspatienten außerhalb der Praxis des substituierenden Arztes nach den Feststellungen des substituierenden Arztes nicht angemessen gewährleistet werden kann, dürfen auch solche volljährigen Personen zur Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch eingesetzt werden, die von einer Apotheke mit Botendiensten beauftragt sind. Soweit der substituierende Arzt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und anderes Personal einsetzt, ist er verpflichtet, eine Vereinbarung entsprechend den Vorgaben für medizinisches, pharmazeutisches oder pflegerisches Personal nach § 5 Abs. 10 BtMVV zu treffen.

Die Verantwortlichkeiten des substituierenden Arztes nach § 5 Absatz 10 Sätze 3 bis 5 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung bleiben unberührt, d.h. der substituierende Arzt hat sicherzustellen, dass das Personal fachgerecht in das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch eingewiesen wird. Bei ihm verbleibt im Ergebnis die Verantwortung.

6. Notfallverschreibung:

Die Möglichkeit, eine Notfallverschreibung vorzunehmen, also ohne Verwendung des Betäubungsmittelrezeptformulars zu verordnen, hat der Gesetzgeber für die Versorgung im Rahmen der Substitutionsbehandlung ausdrücklich nicht vorgesehen.

Hiervon abweichend wird das Instrument der „Notfallverschreibung“ durch die neue Verordnung für die Dauer der Epidemie-Zeit auf Substitutionsbehandlungen ausgedehnt. Die Verschreibungen müssen mit dem Wort "Notfall-Verschreibung" gekennzeichnet und eine Verordnung auf dem Betäubungsmittelrezept muss unverzüglich nachgereicht und mit „N“ gekennzeichnet werden.

7. Übertragbarkeit von BtM-Rezept-Formularen:

Nach § 8 Abs.1 BtMVV sind BtM-Rezept-Formulare nur im Vertretungsfall übertragbar. Hiervon abweichend sieht die neue Verordnung vor, dass zur Sicherstellung der Versorgung mit Betäubungsmitteln Betäubungsmittelrezepte auch außerhalb von Vertretungsfällen von einem anderen Arzt als demjenigen, an den das Betäubungsmittelrezept vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 8 Absatz 2 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung ausgegeben wurde, verwendet werden dürfen. Auch diese Maßnahme soll Versorgungsengpässen entgegenwirken.

Es ist vorgesehen, dass die Inhalte der Verordnung bereits am 17.04.2020 in Kraft treten sollen. Vorgesehen ist eine zeitlich begrenzte Wirkung der Regelungen bis zur Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite bzw. spätestens bis Ablauf des 31.03.2021.

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