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Sprechstundenbedarf taxieren – Worauf müssen Sie achten? | 28.06.2022

Die Verordnung von Sprechstundenbedarf hat „besondere Gesetze“. Bereits bei den Verordnungen von Arzneimitteln für Versicherte der GKV sind diverse Regelungen des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) und besondere vertragliche Richtlinien wie z.B. die Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinien des G-BA zu berücksichtigen. Soweit es um die Verordnung von Sprechstundenbedarf geht, gelten aber – unabhängig davon - andere vertragliche Vereinbarungen. Diese regional unterschiedlichen Regelungen zu beachten, ist ein wichtiger Punkt zur Verhinderung von Retaxationen beim Sprechstundenbedarf:

Die einzelnen KVen haben mit den Krankenkassenverbänden jeweils für ihren Bereich eine Sprechstundenbedarfsvereinbarung geschlossen, in der die Modalitäten bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf geregelt sind. Bei der Belieferung von Sprechstundenbedarf muss die Apotheke daher die Vorgaben der im KV-Bereich des verordnenden Arztes geltenden Sprechstundenbedarfs-vereinbarung berücksichtigen.

In dieser ist regelmäßig zunächst festgelegt, über welche Krankenkasse (z.B. im Bereich der KV Hessen die AOK Hessen) der Sprechstundenbedarf abgerechnet werden muss. Erfolgt die Abrechnung gegenüber der falschen Krankenkasse, ist diese unzulässig. Die Verordnung erfolgt im Regelfall auf einem sog. „Muster-16-Verordnungsblatt“, auf dem maximal 3 Positionen verordnet werden dürfen.

Als zulässiger Sprechstundenbedarf gelten nach den regionalen Sprechstundenbedarfsverein-barungen alle in einem besonderen Verzeichnis gelisteten „Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Versicherten angewendet werden oder bei Notfällen sowie im Zusammenhang mit einem ärztlichen Eingriff bei mehr als einem Patienten zur Verfügung stehen müssen“ (so z.B. die Definition in § 2 Abs.1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung der KV Hessen). Ausdrücklich klargestellt wird in diesem Zusammenhang zumeist, dass Mittel, die für nur einen einzelnen Patienten bestimmt sind, keinen Sprechstundenbedarf darstellen und daher mit Angabe der zuständigen Krankenkasse auf den Namen des Versicherten verordnet werden müssen. Zulässiger Sprechstundenbedarf können – abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Sachverzeichnisse in den einzelnen Vereinbarungen - Arzneimittel, Verbandmittel oder auch Hilfsmittel sein. Nur Produkte, die im jeweiligen Sachverzeichnis gelistet sind, dürfen als Sprechstundenbedarf verordnet werden.

Das häufig vorgetragene Argument bei einem Sprechstundenbedarfsregress, dass – obwohl das verordnete Mittel, das nur für einen einzelnen Patienten bestimmt ist – bei der Krankenkasse doch die gleichen Kosten verursacht, greift „leider“ nicht. Dies, da die Kosten für Sprechstundenbedarfsartikel von den Krankenkassen der GKV gemeinsam getragen werden, Kosten für einen einzelnen Patienten aber nur von der Krankenkasse zu tragen sind, bei der er versichert ist. Bei fehlerhafter Verordnung werden daher Krankenkassen mit Kosten belegt, für die sie nicht einzustehen haben.

Die Verordnung von Sprechstundenbedarf erfolgt quartalsweise. Die Erstausstattung einer Praxis darf nicht als Sprechstundenbedarf verordnet werden. Verordnungsfähig ist dagegen der Bedarf, der notwendig ist, um die Bestände der Praxis wieder aufzufüllen.

Auch beim Sprechstundenbedarf ist das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Dies betrifft nicht nur die Verordnung von Generika. Bei der Verordnung von Generika mit Festbetragsregelung werden in der Regel die Kosten maximal bis zum Festbetrag anerkannt. Insoweit wird Bezug auf § 12 Abs.2 SGB V genommen, der festlegt, dass die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag erfüllt, soweit für eine Leistung ein solcher festgelegt ist.

Es dürfen auch nur solche Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Behandlungsfälle sowie dem abgerechneten Leistungsspektrum stehen. Ggf. sind preisgünstigere Großpackungen zu verordnen. Im Rahmen des Sprechstundenbedarfs dürfen – anders als in der Regelversorgung von Patienten durch Einzelverordnungen - auch Jumbo- oder Klinikpackungen verordnet werden.

Auch der Bezugsweg ist im Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Der Arzt ist gehalten, einen günstigen Bezugsweg (z.B. Direktbezug) zu wählen.

Importe dürfen abgegeben werden, eine Abgabepflicht besteht nach den Vorgaben des Rahmenvertrages jedoch nicht.

Auch einige Impfstoffe sind Bestandteil des Sprechstundenbedarfs. Schutzimpfungen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in der Anlage 1 der Schutzimpfungs-Richtlinie (Si-RL) gelistet sind, dürfen als Sprechstundenbedarf zu Lasten der GKV abgerechnet werden, soweit die im Rahmen der Richtlinie festgelegten Kriterien erfüllt sind. Die Aufnahme in die Richtlinie erfolgt auf Basis der Empfehlungen der STIKO.

Soweit dagegen Impfstoffe durch zusätzliche Satzungen zur GKV-Leistung erklärt wurden, muss bei diesen sog. „Satzungsimpfstoffen“ die Verordnung patientenbezogen und gerade nicht als Sprechstundenbedarf erfolgen.

Bei Rezepten für den Sprechstundenbedarf muss auf den Verordnungen auch das Kästchen „9“ (Sprechstundenbedarf) angekreuzt werden. Soweit Impfstoffe für den Sprechstundenbedarf notwendig sind, müssen diese getrennt von den übrigen Artikeln verordnet und zusätzlich zur „9“ noch mit dem Kreuz im Kästchen „8“ (Impfstoff) versehen werden.

Schließlich ist der Umfang der Verordnungsfähigkeit von Sprechstundenbedarf im Einzelfall zu prüfen. So dürfen z.B. nach den Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung der KV Hessen Benzodiazepine bzw. Beruhigungsmittel nur in folgenden Fällen als Sprechstundenbedarf verordnet werden:

- Für Akut- und Notfälle

- Im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit diagnostischen und therapeutischen Eingriffen,

- Nicht verordnungsfähig: Schlafmittel z.B. Zopiclon, Zolpidem.“

Im Detail gab es hier bereits Unstimmigkeiten bei der Frage, ob insoweit Depot-Präparate verordnet werden dürfen. Die Rechtsprechung tendiert hier dazu, die Verordnung von Depot-Präparaten nicht als Sprechstundenbedarf zu akzeptieren, weil der wesentliche Teil der Wirkung nicht mehr als Akut- oder Notfallversorgung dargestellt werden könne. Wichtig ist es daher, vor der Abgabe eines Produktes als Sprechstundenbedarf, die einschlägige Regelung in der jeweiligen Sprechstundenbedarfsvereinbarung zu prüfen. Bei Zweifeln hinsichtlich der Erfüllung aller Verordnungsvorgaben sollte immer die Verordnung auf den Namen des Patienten vorgezogen werden, um das Retax-Risiko zu minimieren.

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